Defibrillatoren-Projekt der Bürgerstiftung Willstätt

Die Bürgerstiftung Willstätt: Solidarpakt von Bürgern für Bürger

Pressebericht zur Bürgerstiftung Willstätt vom 11.10.2022, erschienen in der Kehler Zeitung:
 
Immer mehr springen Stiftungen dort ein, wo die „öffentliche Hand“ an finanzielle oder rechtliche Grenzen stößt. In unserer Serie stellen wir elf Stiftungen vor. In der 11 Folge geht es um die Bürgerstiftung Willstätt.

„Eine Bürgerstiftung steht unserer Gemeinde gut an.“ Davon ist der damalige Willstätter Bürgermeister Marco Steffens überzeugt. Er, der seinerzeitige Sparkassen-Chef Joachim Parthon, der Willstätter Gemeinderat und Legelshursts Ortsvorsteher Reinhard Jockers packen inspiriert vom großzügigen Angebot von Gerhard Fuchs mit diesem im Frühjahr 2011 die Gelegenheit beim Schopf. Offensichtlich mit Erfolg: Zum Jahresende 2021 kann die Bürgerstiftung Willstätt auf 161 Stifter und ein Stiftungskapital von 1,1 Millionen Euro blicken.

Der Legelshurster Unternehmer Gerhard Fuchs, Ehrenbürger der Gemeinde Willstätt, bietet an, im Zusammenwirken mit der Gemeinde in das leerstehende Lehrerwohnhaus in Legelshurst zu investieren. Er lässt Keller und Erdgeschoss sanieren und einen Aufzug ins Obergeschoss einbauen, das die Gemeinde renovieren lässt. Das gesamte Haus geht in das Vermögen der Bürgerstiftung über, die so monatlich die Mieteinnahmen verbuchen kann.

Nach dem Vorbild der Bürgerstiftung Kehl und der Stiftung der Sparkasse Hanauerland wird am 1. September 2011 die Bürgerstiftung Willstätt gegründet. Die entscheidende Voraussetzung für deren Errichtung hat der Gemeinderat in der Sitzung am 5. Juli 2011 mit seinem einstimmigen Beschluss geschaffen.

„Hand in Hand für Willstätt“ lautet das Motto der zur Zukunftssicherung der Moscherosch-Gemeinde als Solidargemeinschaft von Bürgern für Bürger errichteten Stiftung. Und Jung und Alt arbeiten in der Stiftung ebenso Hand in Hand für Willstätt, um die guten Lebensbedingungen in der Gemeinde weiter zu verbessern. Dass der Übergang zur nächsten Generation in den Gremien mit Myriam Schmidt (23) und Nicolas Adler (35) im Stiftungsrat sowie Bürgermeister Christian Huber (41) und Isabel Parthon (32) im Stiftungsvorstand sehr gut gelungen ist, ist Beweis dafür, wie verankert die Bürgerstiftung inzwischen in der Gemeinde ist.

Zukunftsperspektiven

Im Start-Projekt, dem Lehrerwohnhaus, ist ein kleines medizinisches Zentrum entstanden, das die gesundheitliche Versorgung der Menschen in Legelshurst und in der Gesamtgemeinde verbessert hat: Die ansässige Ärztin hat neue Räume erhalten, die barrierefrei erreichbar sind. Im oberen Stockwerk ist eine Physiotherapiepraxis eingezogen. Ein zweites Stiftungsgebäude, gebaut mit großer Unterstützung heimischer Baufirmen, kann im November 2016 in der Amselstraße 17 in Legelshurst eingeweiht werden. Eine Logopädie- und Ergotherapiepraxis sowie eine Wohnung sind hier untergebracht.

Die Bürgerstiftung Willstätt unterstützt Menschen in Notlagen und gemeindliche Projekte im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Jugendbereich, heißt es in der Präambel der Satzung. Die Stiftung will Vorhaben fördern, die nicht zu den öffentlich rechtlichen Verpflichtungen der Kommune gehören. Sie legt besonderen Wert darauf, gute Zukunftsperspektiven für Kinder und Jugendliche zu schaffen und auch sozial Benachteiligte bei ihrer Integration in das Leben der Gemeinde zu unterstützen. Seit 2011 hat die Bürgerstiftung über 100 Projekte in der Gesamtgemeinde gefördert.

Aktuellste Initiative ist die Erinnerung an Richard Willstätter (*13.08.1872, † 03.08.1942). Der Chemiker und Nobelpreisträger (1915) soll in der Gemeinde seiner Vorfahren eine Büste bekommen. Anlässlich seines 150. Geburtstages hat die Stiftung dafür eine Spende der ehemaligen Willstätterin Helene Rieger bekommen, die in der Schweiz lebt, aber immer noch Kontakt in ihre Heimatgemeinde pflegt.

Stiftungsratsvorsitzender Parthon: „Auch in der neuen Mediathek könnten mittels eines Bildes und eines QR-Codes Informationen über Richard Willstätter der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“

„Bäume statt Böller“ ist der wirkungsvolle Slogan der Stiftung, mit dem sie dazu aufruft, die für Feuerwerkskörper vorgesehenen Ausgaben ihr zu spenden. Von diesen Spenden, bisher bereits insgesamt 12.000 Euro, werden in der Gesamtgemeinde neue Bäume gepflanzt. Unter dem Motto „Boostern statt Böllern“ organisieren Bürgerstiftung und Gemeinde am Jahreswechsel 2021 zwei Impftermine. 500 Covid-Impfungen werden verabreicht.

„Bürgertüten“ kann die Stiftung packen und im Mai 2021 auf dem Wochenmarkt anbieten dank Irmgard Hetzel. Sie spendet dafür anlässlich der Schließung ihres Ladens der Stiftung Lebensmittel. Nach zwei Stunden sind die davon gepackten Tüten weg. Der Erlös fließt in die Förderung gemeinnütziger Projekte. In diesen Topf lässt es auch die „Bücherkiste“ fließen: in acht Jahren 15.000 Euro. Daraus wird beispielsweise die alljährliche Weihnachtsaktion der Stiftung für hilfsbedürftige Kinder gefördert.

Projekte wie die Boulderwand für Junge und jung Gebliebene an der Außenfassade der katholischen Herz-Jesu-Kirche in Kork, Defibrillatorenspende unter anderem an Vereine, Ernährungsführerschein (zusammen mit den Landfrauen) an Grundschulen sowie das Präventionsprojekt „Klasse 2000“ (mit dem Lions-Club) an der Eichenwaldschule Legelshurst, Schulgarten in Willstätt, musikalische Basisförderung stehen ebenso auf der To-do-Liste wie Integrationsausflug und Heimatgutscheine für Menschen aus der Ukraine.

Ergänzt wird das durch die Heimatkulturförderung etwa der Willstätter Hexen mit Skulptur „Hex und Hoogemann“ und Kostümen sowie von Flößerskulptur und Schaufloß an der alten Kinzig oder den „Konzerten am Fenster“ in der Pandemiezeit.

Des Weiteren hat die Bürgerstiftung Brandopferhilfe geleistet in Legelshurst, Sand, Willstätt und Eckartsweier sowie einen Hilfsgütertransport organisiert in das Hochwasserkatastrophengebiet nach Metternich. Gemeinschaftsprojekte mit den Bürgerstiftungen Kehl, Rheinau und der Stiftung der Sparkasse Hanauerland zu Gunsten der Kehler Tafel, Albert-Schweitzer-Schule in Kehl, der Jugendarbeit der katholischen Kirchengemeinde Hanauerland, Online-Spielsucht bei Jugendlichen, des Tierschutzvereins Kehl und des Anne-Frank-Gymnasiums in Rheinau kommen hinzu.

„Bienenfleißig sind die Willstätter“, freut sich der Stiftungsratsvorsitzende, „und sie unterstützen uns ganz prächtig.“ Beispielsweise mit dem Kauf des Stifterhonigs. Rund 5500 Gläser sind bisher verkauft worden. „Über 15.000 Euro“, informiert Schatzmeister Heinz-Gerhard Schmidt. „Volle Fahrt“ aufgenommen hat in den beiden zurückliegenden Jahren der Orangenexpress. Mit dieser Verkaufsaktion hat die Bürgerstiftung im Bring-Dienst 2021 zirka 1,5 Tonnen gespendete spanische Orangen direkt zum „Kunden“ geliefert und so vielen zu einer besonderen Vitaminspritze verholfen.

Finanzielle Spritze

Wer der Bürgerstiftung zu einer „Vitaminspritze“ verhelfen möchte, kann das tun durch Zustiftung in das Stiftungsvermögen, das unangetastet bleibt und von dem nur der Zinsertrag ausgeschüttet wird, mit einer zweckgebundenen Spende zur Förderung eines bestimmten Projekts oder als Mitglied im Freundeskreis der Bürgerstiftung mit einem jährlichen Beitrag ab 50 Euro.

„Es ist ein schönes Erlebnis, wenn man die Freude sieht bei denen, denen man hat helfen können.“ Das konstatiert Sohn Markus von Gerhard Fuchs beim Podium der Kehler Zeitung zur Bürgerstiftung im November 2011. So blickt denn auch bei der Stifterversammlung im Vorjahr Bürgermeister Christian Huber optimistisch in die Zukunft der Willstätter Bürgerstiftung. Der Stiftungs-Vorstandsvorsitzende: „Wir wollen helfen, und wir sind bereit.“

(Text: Hans-Jürgen Walter)